Rechenzentrum

Seit gut vier Jahren sind die Office 365-Cloud-Dienste von Microsoft (SharePoint Online, Exchange Online, etc.) verfügbar. Die Microsoft-Marketing-Maschine lief seitdem auf Hochtouren: über attraktive Preismodelle, kontinuierliche Weiterentwicklung der angebotenen Cloud-Services und ein stetiges Anpreisen der Dienste sollte die langfristige Microsoft Strategie „Cloud First“ weltweit verbreitet werden. In den USA und auch anderswo lief dies den Vorstellungen von Microsoft entsprechend gut an, jedoch taten sich hierbei in Europa, und ganz besonders in Deutschland hohe bis unüberwindbare Einstiegshürden auf.

Neben den besonderen hiesigen Datenschutz-Richtlinien tat der NSA-Skandal noch sein Übriges dazu, sodass deutsche Unternehmen in der Regel schon beim Gedanken an Daten in der großen Wolke zusammenzucken und auf eine instinktive Abwehrhaltung umschalten. Sätze wie „Meine Daten in den USA??? Da können wir sie ja gleich ins Internet stellen!“ und „Unsere Partner verlangen, dass unsere Daten Deutschland nicht verlassen!“ sind an der Tagesordnung, wenn wir in Kundengesprächen das Wort „Cloud“ auch nur in den Mund genommen haben.

„Meine Daten müssen in Deutschland bleiben“ – Lokale, abgeschirmte Rechenzentren

Am 11. November 2015 wurde dann aber bekannt gegeben, was seit gut einem Jahr hinter den Kulissen schon heftig gemunkelt wurde: Satya Nadella höchstpersönlich (CEO Microsoft) teilte auf einer Pressekonferenz in Berlin mit, dass ab 2016 über zwei deutsche Rechenzentren (Frankfurt und Magdeburg) der volle Microsoft-Cloud-Stack bezogen werden kann. Im Einzelnen betrifft das sowohl die gesamte Office 365 Palette (SharePoint, Exchange, Project, etc.) als auch die gehosteten Azure Dienste (Azure AD, ADFS, etc.) und CRM Online. Diese werden zukünftig über die beiden Zentren gespiegelt gehostet, wobei zwischen den Standorten ein eigenes, vom Internet getrenntes Netz eingesetzt wird. Die Daten verlassen Deutschland also nicht mehr.

„Warum sollten meine Daten hier sicherer sein?“ – Treuhänder zur Erhöhung der Datensicherheit

Doch deutsche Rechenzentren alleine, die weiterhin durch Microsoft (also ein US-Unternehmen) betrieben und überwacht werden, lösen das Problem nur teilweise. Um das Kundenvertrauen wirklich zu gewinnen, geht Microsoft noch einen Schritt weiter. Durch die Einführung des Treuhänder-Prinzips gibt Microsoft die Datenhoheit an einen Mittelsmann ab. Die Rolle wird in Deutschland die T-Systems International übernehmen, welche auch durch ihre teilweise noch staatlichen Besitzverhältnisse (ca. 10%) als der passende Partner hierfür ausgemacht wurde. Wohlgemerkt werden die Rechenzentren nicht durch den Treuhänder direkt betrieben, aber Daten- und Informationszugriff sind nur noch über diesen möglich, auch für Microsoft selbst. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Informationen findet man auf dem folgenden Bild.

„Kann man jetzt bedenkenlos in die Cloud wechseln?“ – Ein paar kritische Worte

Auf die Frage können wir aktuell mit einem klaren Jein antworten. Microsoft geht den richtigen Weg, aber ein paar kritische Anmerkungen müssen hier gestattet sein.

Erstens stellt die T-Systems zwar einen unabhängigen Treuhänder dar, jedoch ist das Unternehmen nun mal auch in den USA aktiv, die Nähe und gegebenenfalls Abhängigkeit über bestehende, lukrative Geschäftsverbindungen zu US-Behörden könnte prinzipiell gegeben sein. Wir wollen hier nichts unterstellen, jedoch ist für einen Vertrauensaufbau auf dem deutschen Markt hier noch einiges an klarer Kommunikation seitens Microsoft und T-Systems notwendig, um eventuelle Bedenken restlos auszuräumen. Zweitens ist bislang auch noch nicht bekannt, was die zusätzlich gewonnene Sicherheit (eigene Rechenzentren, eigenes Netzwerk, zusätzlicher Treuhänder) an Mehrkosten bedeutet. Dass es kostspieliger als aktuell wird, wurde bereits angekündigt, ob der aktuelle Hauptvorteil der Cloud somit dann noch gegeben ist, bleibt abzuwarten.

Eine aktive Auseinandersetzung mit dem Für und Wider bleibt also unverzichtbar.

„Wir werden auf absehbare Zeit in keine noch so sichere Cloud gehen!“ – Die Zukunft geht auch (noch) ohne Cloud

Wenn das Ihre Einstellung ist, dann sollten Sie auch weiterhin lokal bleiben, und das auch ohne Sorgen, dass Microsoft Ihnen hier das Wasser abgräbt. Wir wollen nicht verschweigen, dass es interessante Features und Lösungsansätze gibt und geben wird, die von Microsoft nur in der Cloud angeboten werden, aber über hybride Szenarien (Bezug der Funktionalität aus der Cloud, Daten bleiben lokal, wird beispielsweise in SharePoint 2016 für die Suche möglich sein) ist auch hier häufig ein gangbarer Weg geebnet. Schließlich möchten wir auch noch auf eine der zentralen Aussagen von der diesjährigen Microsoft Ignite Konferenz in Chicago zurückverweisen:

„As long as there is a need for on-premise solutions, we will deliver on-premise solutions!“ (Bill Bear, MS Product Manager SharePoint).

Solange der Markt also eine lokale Lösung anfragt, solange wird Microsoft diese auch bereitstellen.

Fazit

Es bleibt, bzw. es wird jetzt richtig spannend. Der von Microsoft eingeschlagene Weg ist der richtige, die Pläne für lokale Rechenzentren mit lokalen Treuhändern als Datenverwalter sind sinnvoll und eigentlich längst überfällig.

Es wird sich zeigen, ob die für die Sicherheit aufgerufenen Preise weiterhin ein eindeutiges Argument für die Cloud bleiben. Die Cloud-Dienste verfügen bereits über eine sehr hohe Qualität, die sich durch eine kontinuierliche Weiterentwicklung von on-premise Lösungen in der Zukunft entscheidend in Bezug auf die Funktionalität absetzen könnten. In den kommenden Jahren wird bei der Entscheidung über den Einsatz der Cloud zunehmend der Kostenfaktor vom Funktionalitätsfaktor überholt werden und mit der neuen Rechenzentren-Strategie sind wir in Deutschland hoffentlich voll mit dabei!